Umsetzung 2. Etappe der Pflegeinitiative
Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 21. Mai 2025 zwei Gesetzesvorlagen zuhanden des Parlaments verabschiedet:
- den Entwurf zu einem neuen Bundesgesetz über die Arbeitsbedingungen in der Pflege (BGAP) sowie
- den Entwurf zur Revision des Gesundheitsberufegesetzes (GesBG)
Das BGAP beinhaltet unter anderem Vorgaben in folgenden Bereichen:
- Arbeitsbedingungen
Es sollen für zehn Bereiche Vorgaben zu den Arbeitsbedingungen festgelegt werden. Diese Vorgaben gehen teilweise über die geltenden Regeln des Arbeitsgesetzes (ArG) und des zwingenden Arbeitsvertragsrechts gemäss Obligationenrecht (OR) hinaus: -
- Wöchentliche Höchstarbeitszeit von 45 Stunden (bisher 50 Stunden) und Ausgleich von Überzeit
- Wöchentliche Normalarbeitszeit zwischen 40 und 42 Stunden
- Ausgleich von Überstunden
- Ausgleich von Nachtarbeit
- Ausgleich der Sonn- und Feiertagsarbeit
- Umkleidezeit
- Mindestdauer und Entlöhnung von Pausen
- Anrechnung und Ausgleich von Bereitschafts- und Pikettdienst
- Ankündigung von Dienstplänen und Bereitschafts- und Pikettdienst
- Kompensation für kurzfristige Einsätze
- GAV-Verhandlungspflicht
Als zusätzliche Massnahme sollen die Sozialpartner verpflichtet werden, Gespräche zur weiteren Verbesserung der Arbeitsbedingungen aufzunehmen und über einen GAV zu verhandeln. Die Sozialpartner können in einem GAV von den Vorgaben des neuen Bundesgesetzes abweichen. Zwingende Bestimmungen des Arbeitsgesetzes, des Obligationenrechts, von kantonalen Personalgesetzen und weiteren spezialrechtlichen Regelungen müssen aber weiterhin eingehalten werden. - Kantonale Kommissionen für Pflege
Darüber hinaus sollen kantonale Kommissionen im Bereich der Pflege eingesetzt werden.
Bei der Revision des GesBG geht es um die rechtliche Verankerung der Advanced Practice Nurse (APN). Hier schlägt der Bundesrat vor, dass es einzig durch einen Master in Advanced Practice Nursing möglich sein soll, den Beruf der Pflegeexpertin/des Pflegeexperten APN auszuüben. Dies entspreche den internationalen Entwicklungen.
Der Bundesrat bestätigt die Kostenfolgen der Vorlage im Bereich der Sozialversicherungen (Krankenversicherung, Invalidenversicherung, Unfallversicherung, Militärversicherung) und der Kantone (Spitalfinanzierung, Pflegefinanzierung). Er sieht sich jedoch nicht in der Lage, belastbare Zahlen abzuschätzen. Eine Regulierungsfolgenabschätzung bestätigt die Prognoseschwierigkeit, nennt dennoch Zahlen in der Höhe von jährlich bis zu CHF 2 Milliarden.
Der Bundesrat sieht keine Bestimmungen zur Finanzierung vor. Er verweist im spital-stationären Bereich auf die bestehenden Tarifwerke (insbesondere auch DRG) und im Bereich der Leistungen in Pflegeheimen und der Spitex auf die Restfinanzierung. Des Weiteren verweist er auf EFAS.
Beurteilung
Spitex Schweiz hatte 2024 im Rahmen der Vernehmlassung grundsätzlich Vorbehalte zum starken Eingriff des Bundesrates geäussert, hat jedoch anerkannt, dass der Bundesrat Handlungsdruck aufgrund der Initiative hat. Da sich aber die Personalsituation auch in der Spitex schwierig darstellt forderte Spitex Schweiz bereits in der Vernehmlassung, dass jegliche Massnahmen finanziert werden müssen und nicht zu Verwerfungen in der Versorgung führen dürften wie beispielsweise einen grossen Mehrbedarf an Personal.
Der Bundesrat hat einige Änderungen im Sinne von Spitex Schweiz vorgenommen: So hat er beispielsweise die Spannweite der Normalarbeitszeit stärker an die vielerorts üblichen 42 Stunden pro Woche angehoben (von 38-42 auf 40-42 Stunden). Ebenso hat er betreffend Kompensation für kurzfristige Einsätze das System verkürzt und vereinfacht.
Auch hat der Bundesrat in den beiden Variantenfragen zu den Themen GAV und APN die Position von Spitex Schweiz eingenommen (siehe oben). Dennoch ist der Bundesrat in vielen Fällen nicht den Forderungen von Spitex Schweiz gefolgt. Spitex Schweiz ist insbesondere besorgt, dass keine verbindliche Finanzierung der Mehrkosten vorgesehen ist, und die vorgeschlagenen Regelungen zusätzliche Fachkräfte erfordern.
Beispiel: In der Regulierungsfolgenabschätzung wird allein eine Festlegung der Normalarbeitszeit auf 40 Stunden pro Woche bei gleichbleibendem Lohn mit Mehrkosten von CHF 649 Mio. pro Jahr veranschlagt – für die rund 7'300 Vollzeitäquivalente (VZÄ) zusätzlich in der Pflege benötigt würden.
Nächste Schritte
Die SGK-N wird sich bereits Anfang Juli mit der Etappe 2 befassen. Spitex Schweiz und verschiedene weitere Verbände sind zu einem Hearing eingeladen. Spitex Schweiz wird ihre Bedenken zu den Massnahmen einbringen und wird insbesondere eine garantierte Finanzierung fordern und betonen, dass die geplanten Massnahmen die Versorgungsicherheit nicht gefährden dürfen. Es finden dazu auch Gespräche mit weiteren Verbänden statt, um möglichst vereint aufzutreten.
Weitere Informationen finden sich auf der Webseite des BAG (Umsetzung Pflegeinitiative (Artikel 117b BV)
Quelle: Spitex Schweiz
Foto: Parlamentsdienste / Rob Lewis