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01.04.2021

Revision des Medizinprodukterechts

Es ist kompliziert, einiges noch unklar, aber Panik ist nicht angesagt. Aufgrund verschiedener Zwischenfälle werden die Kontrollmechanismen für Medizinprodukte europaweit verschärft. 

Auch die Schweiz überarbeitet ihr Medizinprodukterecht in enger Anlehnung an die verschiedenen neuen EU-Bestimmungen (vgl. Information auf der Webseite des BAG).

Eine nächste Etappe wurde pandemiebedingt um ein Jahr verschoben, sie soll nun per 26. Mai 2021 eingeführt werden. Die für Mai 2020 angesagte und durch Spitex Schweiz angekündigte Veranstaltung von swissmedic wurde leider pandemiebedingt abgesagt und ersatzlos gestrichen. Die Geschäftsstelle hat in den vergangenen Wochen verschiedene Gespräche mit Experten geführt und versucht die Informationen nachfolgend zusammenzutragen. Wichtiger Hinweis: Es handelt sich um eine aktuelle Beurteilung und keine abschliessende Aussage. 

Die Einführung des neuen Medizinprodukterechts ist für die Spitex mit 3 Problemkreisen verbunden:

1. Verfügbarkeit von Produkten
Die bisherigen Verträge zwischen EU-CH garantierten die gegenseitigen Prozesse zu den Medizinalprodukten, dies insbesondere auch bei der Anerkennung der Bevollmächtigten (EC REP, jeder Produzent muss zwingend einen Ansprechpartner für die Behörden innerhalb der EU gewährleisten). Durch die neue Situation ist ab Juni 2021 die gegenseitige Hilfe zwischen EU-CH nicht mehr gewährleistet. Dies hat zur Folge, dass die Firmen in der Schweiz ebenfalls Ansprechpartner haben müssen. Nicht alle werden dies (sofort) tun.

Zudem müssen Produkte künftig nach einem anderen Prozess zertifiziert werden. Auch die Zertifizierungsstellen müssen selbst ein Zertifikat der Behörden haben, damit sie nach den neuen Bestimmungen zertifizieren können. Daran sind hohe Anforderungen geknüpft und es gibt derzeit noch eine Knappheit an benannten Stellen. Deshalb gibt es keine Gewähr, dass alle Produkte fristgerecht durch die Zertifizierer zugelassen werden können. Dies kann zu einer Verknappung der Medizinprodukte führen und das Sortiment verkleinern (vor allem in der Breite, nicht in der Menge). Es kann nicht vorausgesagt werden, ab wann welche Produkte betroffen sein könnten. Einige Produkte werden auch künftig nicht mehr als Medizinprodukte angeboten werden, da die Hürden zu hoch sind. Viele werden künftig beispielsweise als Kosmetikartikel verkauft werden – entsprechend fehlen Hinweise in den Beipackzetteln zu medizinischer Anwendung (mögliches Beispiel: Alkoholtupfer).

Mildernde Faktoren: der Bundesrat kann für die Anforderungen an den Schweizer Markt (nicht jedoch bei den Zertifikaten) eine Übergangsfrist festlegen (wobei diese wohl nur einige Monate umfassen wird) und Swissmedic könnte bei Bedarf Ausnahmebewilligungen für dringende Produkte gewähren.

Beurteilung: Für Produkte, die in grossen Mengen benötigt werden, sollte es kaum Probleme geben. Es ist davon auszugehen, dass die Materialzulieferer ihre Aufgaben erfüllen. Von allfälligen Vorratseinkäufen wird von den Experten abgeraten (da Zeitpunkt und betroffene Produkte nicht klar).

2. Rückverfolgbarkeit von Produkten
Produkte müssen künftig lückenlos verfolgbar sein – von Produktion bis Anwendung. Im Bereich von Implantaten bis zu den Patientinnen und Patienten. Im Bereich der Spitex-Produkte in der Regel die Charge der Lieferung. Hier wird entscheidend sein, welche Rolle die Spitex innehat. Wenn sie Material bestellt und dieses durch Drittfirmen geliefert wird, kann diese Rückverfolgbarkeit durch die Lieferanten gewährleistet werden. Unklar ist noch, ob die Rechnungstellung durch die Spitex selber oder durch die Materialfirma hier eine Änderung bewirkt – ist die Spitex dann Händlerin oder Gesundheitseinrichtung? Bei Gesundheitseinrichtungen sollte Material elektronisch erfasst werden. Auch eine Rolle spielen könnte die Situation, wenn die Spitex Material direkt im Ausland bestellt. Diese Punkte können juristisch nicht abgeschlossen beurteilt werden.

Fakt ist, dass die Änderung im Bereich des Materialeinkaufs eine Professionalisierung bewirken wird. Die Rolle der Zulieferfirmen wird grösser werden, da diese die Prozesse und die Auflagen einfacher gewährleisten können. Es ist mit einer Bereinigung der Anbieterfirmen in diesem Markt zu rechnen (Erfüllung der Anforderungen z.B. im Bereich Transport und Lagerung). Hier ist eine Rücksprache mit den Zulieferern sinnvoll.

Beurteilung: Im Bereich der Rückverfolgbarkeit gibt es noch einige Unwägbarkeiten. Gemäss Aussagen von Experten sollte Material, welches für Erst- oder Notfalleinsätze verwendet wird, nicht unter die verschärften Händlerregelungen fallen. Hier ist wichtig, dass die Spitex diese Produkte prüft, in dem sie bei Medizinprodukten den CE-Stempel sicherstellt und eine Basisprüfung durchführt (z.B. intakte Verpackung).

3. Verschärfung der Meldepflicht
Spitexorganisationen haben die Pflicht, Meldung zu erstatten, wenn durch (fehlerhafte Produkte) schwerwiegende Folgen für Personen entstehen könnten. Diese Pflicht existierte eigentlich bereits heute schon, wurde aber nicht konsequent durchgesetzt.

Beispiel: Fehlerhafte Verpackung von sterilem Material.

Die Merkblätter von Swissmedic werden angepasst und wohl Ende Mai zur Verfügung stehen.

Beurteilung: Die Meldepflicht für die Spitex wird konsequenter zur Anwendung kommen. Dies erfordert entsprechende Information der Pflegenden, damit sie fehlerhafte Produkte melden. Es wird von Seiten Experten empfohlen, besser eine Meldung mehr zu machen, als weniger – die Prozesse werden sich einpendeln müssen.

Fazit
Derzeit stehen für alle Akteure noch zahlreiche unbeantwortete Fragen im Raum. Nicht zuletzt steht das Thema ebenfalls in Abhängigkeit zum Verhältnis Schweiz-EU und es bestehen juristische Unwägbarkeiten, da noch keine Judikatur unter dem neuen Recht existiert.

Dennoch sollte insgesamt keine Panik verbreitet werden – insbesondere auch im Bereich der Spitex. Die Verfügbarkeit der Produkte sollte nicht per Juni 2021 in Frage gestellt sein. Spätere Auswirkungen müssen beobachtet werden. Ein Austausch mit den Materiallieferanten ist sinnvoll – diese werden wohl ebenfalls mit Informationen auf die Leistungserbringer zugehen.

Gemäss den Experten ist klar, dass die neuen Regelungen einen weiteren Professionalisierungsschub im Bereich der Medizinprodukte auslösen.

(Quelle: Spitex Schweiz)

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