«Für Mitarbeitende wollen wir eine gute Feedbackkultur etablieren und sie in die Prozesse einbinden»
Nach einer Fusion und turbulenten Monaten versucht Daniel Mitteldorf, neuer Geschäftsführer der Spitex Toggenburg, Ruhe und Orientierung sowie das Vertrauen zurück in die Spitex-Organisation zu bringen. Wie ihm dies gelingt und welche Rolle dabei die Kommunikation einnimmt, dies erläutert der Pflegefachmann, Coach und psychosoziale Berater im Interview.
Text: Eva Zwahlen
Die Spitex Toggenburg blickt auf eine turbulente Zeit zurück: Im Januar 2023 fusionierten die Spitex-Organisationen Mittleres und Oberes Toggenburg, ein Jahr später wurde ein neuer, fünfköpfiger Vorstand gewählt. Zudem trat zwischenzeitlich ein neuer Geschäftsführer sein Amt an. Seit Oktober 2024 sind Sie nun der verantwortliche Geschäftsführer. Wie sind Sie an Ihre grosse Aufgabe herangegangen?
In erster Linie ging es darum, das bestehende Team kennenzulernen, Vertrauen aufzubauen und den laufenden Betrieb zu stabilisieren. Durch viele Abgänge waren eine grosse Verunsicherung spürbar und die Fusion noch nicht wirklich verarbeitet. Die Teams mussten ihre Stärken gegenseitig kennenlernen und Arbeitsabläufe aufeinander abstimmen.
Sie kommen selbst aus der Pflege, sind Coach und arbeiten als psychosozialer Begleiter für Führungspersonen in anspruchsvollen Situationen. Wie helfen Ihnen Ihre beruflichen Erfahrungen für Ihre aktuelle Tätigkeit?
Meine Erfahrung in der Führung von Teams in Krisensituationen, zum Beispiel in der Corona-Zeit, hilft mir sehr, Ruhe zu vermitteln in einem aufgewühlten Team. Es galt, vor allem die Führungspersonen zu coachen und in ihren Funktionen zu stärken. Durch meine Erfahrung als psychosozialer Berater konnte ich auf einen grossen Rucksack von Methoden und Modellen zurückgreifen, die eine grosse Stütze waren in anspruchsvollen Gesprächen.
Ihre Organisation befindet sich in einer anspruchsvollen Change-Situation. Welche Leadership-Grundsätze wenden Sie an?
In der Organisation von Abläufen und Prozessen orientieren wir uns an den Modellen des Leanmanagements[1], besonders in der Organisation von Material und Medikamentenbewirtschaftung. Dank der Ausbildung zum psychosozialen Berater arbeite ich wiederum in der Gesprächsführung mit den Modellen der Transaktionsanalyse[2]: Die einfachen gut anwendbaren Kommunikationsmodelle wie das Strukturmodell mit den Ebenen Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich und Kind-Ich, dargestellt mit den drei übereinanderliegenden Kreisen, lässt sich einfach und gut verständlich erklären. Es sind plakative Modelle, die einem immer wieder in den Sinn kommen. Eine weitere wichtige Grundlage in der Führung ist es, die Mitarbeitenden zu befähigen und sie in ihrer entsprechenden Rolle zu stärken und Vertrauen aufzubauen.
Welche Rolle hat die Kommunikation im Change?
Eine gute Kommunikation ist das A und O im Change. Die Mitarbeitenden wollen gehört werden und aktiv an den Changes teilhaben. Ich setze dabei auf eine direkte Kommunikation, wobei digitalen Medien eine wichtige Rolle spielen, da die Spitex unterwegs ist und sich nur selten im Team trifft. Ich bin auch ab und zu mit den Mitarbeitenden unterwegs. Dabei achte ich sehr darauf, präsent zu sein, damit sie auf mich zukommen und mich als Geschäftsführer niederschwellig ansprechen können. Da ich aus der Pflege komme, gehe ich auch ab und zu bei Klientinnen und Klienten vorbei, um mir ein eigenes Bild vor Ort zu machen. Bei komplexen Gesprächssituationen oder wenn Mitarbeitende bei den Klientinnen und Klienten an ihre Grenzen stossen, coache ich die Mitarbeitenden auch. Ich begleite sie dann und unterstütze als Gesprächsführer, um Situationen zu klären. Oder wir erarbeiten zu dritt Lösungen, wie die zukünftige Zusammenarbeit aussehen kann.
Es bewährt sich für Führungsgremien, in Change-Situationen eine gemeinsame Vision zu entwickeln. Welche Vision haben Sie für die Spitex Toggenburg? Wie stellen Sie sicher, dass alle das Gleiche darunter verstehen? Und wie entwickelt Sie die Unternehmenskultur weiter?
Aktuell heisst es erstmal wieder, Vertrauen in die Spitex aufzubauen. Eine Kultur der Wertschätzung, vom Kader wie auch untereinander und zu den Klientinnen und Klienten, ist ein grosses Ziel, da wir in den letzten Monaten viele neue Pflegende einstellen konnten.
Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Organisation für potenzielle Mitarbeitende attraktiv bleibt? Und für die bestehenden?
Dies stellen wir sicher, indem wir ein spannendes Arbeitsumfeld gestalten, offen sind für neue Projekte und Arbeitsmodelle, flexibel bleiben in den Arbeitszeiten, Mitarbeitende in die Prozesse einbinden und sie diese mitgestalten lassen sowie eine gute Feedbackkultur etablieren.
Was empfehlen Sie anderen Spitex-Organisationen, die sich wie die Spitex Toggenburg in einem Change befinden? Was bewährt sich?
Es bewährt sich, die Mitarbeitenden sehr früh in die Changes einzubinden und noch früher offen zu kommunizieren, wohin der Weg geht. Wichtig ist es ebenfalls, transparent und präsent zu sein.
Daniel Mitteldorf, Geschäftsführer Spitex Toggenburg
www.spitex-toggenburg.ch
Weitere Beiträge zur «Spitex im Wandel» finden Sie hier.
[1] Lean Management ist ein ganzheitlicher Managementansatz, der zur Steigerung von Produktivität und Effizienz in Unternehmen eingesetzt wird. Es basiert auf einem systematischen Ansatz, bei dem verschiedene Methoden und Techniken verwendet werden, um Ressourcen zu optimieren, Abfall zu vermeiden und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu verbessern > https://www.munich-business-school.de/l/bwl-lexikon/lean-management
[2] Die Transaktionsanalyse (TA) ist eine psychologische Theorie der menschlichen Persönlichkeitsstruktur. Die Theorie wurde Mitte des 20. Jahrhunderts von dem US-amerikanischen Psychiater Eric Berne begründet. Sie erhebt den Anspruch, anschauliche psychologische Konzepte zur Verfügung zu stellen, mit denen Menschen ihre erlebte Wirklichkeit reflektieren, analysieren und verändern können > https://de.wikipedia.org/wiki/Transaktionsanalyse