«Die eingesparte Zeit nutzen wir für Klientinnen und Klienten»
In den vergangenen acht Jahren hat die Spitex Linth zahlreiche Veränderungsprozesse angestossen. Was die Vorteile einer engeren Zusammenarbeit mit dem Spital Linth sind, weshalb das «Flying Nurse»-Prinzip bei den Mitarbeitenden so beliebt ist und welche Arbeitsabläufe digitalisiert werden sollen, dies erläutert Geschäftsleiterin Christine Schnyder im Interview.
Interview: Eva Zwahlen
Christine Schnyder, wie wichtig ist es Ihrer Ansicht nach, dass sich auch Spitex-Organisationen laufend weiterentwickeln und sich Veränderungen nicht verschliessen?
Enorm wichtig. Im Gesundheitswesen ist im Moment vieles in Bewegung. Wer stehen bleibt, wird irgendwann abgehängt. Zudem führen viele Entwicklungen zu einer Verschlankung der Abläufe. So kann wertvolle Zeit im Büro eingespart und für die Pflege der Klientinnen und Klienten genutzt werden.
Sie beabsichtigen, Ihre Prozesse weitestgehend zu digitalisieren. Was haben Sie bereits realisiert? Mit welchen Herausforderungen waren Sie dabei konfrontiert und was funktioniert gut?
Die elektronische Pflegeplanung führten wir 2017 ein. Seither sind unsere Pflegenden weitgehend papierlos unterwegs, alle besitzen ein eigenes Mobile mit den wichtigsten Infos. Auch Material bestellen wir direkt über das Mobile bei den Klientinnen und Klienten zu Hause und es wird ihnen innerhalb 24 Stunden geliefert. Material vom Stützpunkt holen und zur Kundschaft bringen, fällt also weg. Die erste interne digitale Kommunikationsplattform führten wir im Anschluss ein. Hierzu kann ich eine unglaubliche Geschichte erzählen: Kurz vor Weihnachten 2024 ging die Firma unserer Kommunikationsplattform Konkurs und wir hatten keinen Zugang mehr auf das Tool. Zum Glück waren wir im Vorfeld auch schon mit anderen Anbietenden in Kontakt und so bereits drei Tage später dank Beekeeper wieder live. Nach wenigen Wochen hatten wir diverse Formulare auf der neuen Plattform digital eingebunden, was vorher nicht möglich war: Spesen, Ferien, Weiterbildungen, Unfälle und vieles mehr. Wir konnten also viele administrative Arbeiten auf einen Schlag digitalisieren und damit Zeit gewinnen.
Was ist bezüglich Digitalisierung weiter geplant in den kommenden Jahren?
Noch nicht zufrieden sind wir mit unseren Prozessen im Recruiting und in der Personaladministration. Adressen abtippen war gestern – wir brauchen beispielsweise ein Tool, auf dem die Bewerberinnen und Bewerber ihre wichtigsten Angaben korrekt erfassen und diese von uns dann gleich übernommen werden können. Hilfreich wäre auch die Einführung eines Kundenportals. Klientinnen und Klienten sowie ihren Angehörigen würde dadurch ermöglicht, sich selbständig über unsere Einsätze zu informieren oder Termine zu verschieben. Und auch in den Finanzen wollen wir möglichst vieles elektronisch abwickeln.
Wo sehen Sie weiteres Veränderungspotenzial in Ihrer Organisation?
2025 werden wir auf den Campus des Spitals Linth ziehen. Diesen Schritt haben wir uns sehr gewünscht. Einerseits intensivieren wir dadurch die Zusammenarbeit mit der stationären Institution. Bei Austritten beispielsweise sind wir in wenigen Minuten am Spitalbett und besprechen das weitere Vorgehen gemeinsam mit dem behandelnden medizinischen- und dem Pflegeteam. Andererseits können wir bei gemeinsamen Weiterbildungen Synergien nutzen. Zudem steigern wir unsere Attraktivität für die Mitarbeitenden, indem wir moderne Arbeitsplätze anbieten können. Ein Plus sehen wir auch für unsere Klientinnen und Klienten: Da unsere Büros im Erdgeschoss liegen und mit dem öffentlichen Verkehr gut zu erreichen sind, kann man uns barrierefrei besuchen. Kommende Entwicklungen sehe ich im Austausch mit unseren 3‘500 Mitgliedern: Für uns wäre es zum Beispiel enorm wichtig, dass wir mit ihnen direkt über unseren Adressstamm elektronisch kommunizieren könnten. Unser Tool Perigon ist hierfür noch nicht eingerichtet. Die Schnittstelle zu entwickeln, kostet viel. Hier sind wir auf die Unterstützung von anderen Spitex-Organisationen angewiesen – würden mehr mitmachen, so würde es günstiger. Und die anschliessenden Kosteneinsparungen sind riesig: Die Einladung zur Mitgliederversammlung und der Geschäftsbericht können digital verschickt werden, inklusive personalisiertem Einzahlungsschein. Weiter fehlt eine Plattform, auf der die aktuellen Medikamentenlisten der Klientinnen und Klienten jederzeit einsehbar sind. Heute müssen diese Dokumente zwischen den einzelnen Dienstleistenden ständig hin- und hergeschickt werden.
Was empfehlen Sie anderen Spitex- Organisationen, die ähnliches vorhaben? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Change-Vorhaben gelingen?
Es braucht Menschen im Betrieb, die aufmerksam die neusten Trends verfolgen und ein Gespür dafür haben, bei welchen Themen man aufspringen soll und bei welchen sich das Zuwarten eher lohnt. Der Austausch mit anderen Spitexorganisationen ist ebenfalls wichtig. Wo sind sie weiter, wo wir? Können wir uns gegenseitig unterstützen? Es muss nicht jeder Verein alles selbst erfinden. Die grösste Herausforderung sind jedoch die Initialkosten und die anfängliche Mehrarbeit, die sich eben erst nach erfolgter Umsetzung auszahlen. Wenn die Mitarbeitenden sehen, dass die Änderung eine Verbesserung bringt, sind sie mit im Boot. Das hat uns die Vergangenheit immer wieder aufgezeigt: Wenn sie von Anfang an involviert sind und ihre Ideen einbringen können, umso besser. Und natürlich ist ein unterstützender Vorstand, welcher dem Verein das Vertrauen schenkt, das A und O.
Ihre Mitarbeitenden der Pflege und Haushilfe arbeiten nach dem «Flying Nurse»-Prinzip. Welche Vorteile hat es, wenn sie direkt von zu Hause aus zu ihren Einsätzen starten?
Wir bedienen neun Gemeinden, in der Nacht sogar zehn. Das Gebiet ist sehr weitläufig. Es macht keinen Sinn, dass die Mitarbeitenden vor und nach der Arbeit immer den Umweg über den Stützpunkt machen. Deshalb haben wir uns 2017 entschieden, die Mitarbeitenden so auszustatten, dass sie jederzeit alles griffbereit haben, was sie brauchen: Mobile, Arbeitskleider, Material. Die Geschäftsautos haben wir entsprechend in unseren Gemeinden verteilt. Auch wenn die Mitarbeitenden von zu Hause aus in den Einsatz fahren, so schauen sie doch regelmässig im Büro vorbei. Sie bestimmen aber selbst, wann es für sie günstig ist. Das Modell ist bei den Mitarbeitenden sehr beliebt, weil sie länger zu Hause bleiben können und schneller bei den Klientinnen und Klienten sind. Zudem sind wir weniger krisenanfällig: Wir können jederzeit unabhängig von Büroräumlichkeiten arbeiten.
Christine Schnyder, Geschäftsleiterin Spitex Linth
www.spitex-linth.ch
Weitere Informationen:
Hintergrundinformationen zur Spitex in der digitalen Transformation im Spitex Magazin
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