«Die Mitarbeitenden schätzen es, dass sie in einer modernen Organisation arbeiten, die sich weiterentwickelt»
Anfang 2025 hat die Spitex Appenzellerland mit OXOA eine digitale Plattform für die Kommunikation mit den Kundinnen und Kunden eingeführt. Im Interview schildert die Geschäftsleiterin Susanne Schäfer unter anderem, welches die Hürden bei der Einführung waren. Zudem äussert sie sich dazu, weshalb es wichtig ist, die Mitarbeitenden bei Change-Projekten frühzeitig ins Boot zu holen. Und dazu, wie die Organisation mit kritischen Stimmen umgeht.
Text: Eva Zwahlen
Susanne Schäfer, seit Februar 2025 nutzt die Spitex Appenzellerland das digitale Kundenportal OXOA auf freiwilliger Basis. Wo stehen Sie nach einem halben Jahr nach der Einführung? Wie viele Kundinnen und Kunden nutzen diese Möglichkeit aktuell?
Wir verschicken monatlich rund 400 Kundenrechnungen. Bis jetzt haben wir bereits über 130 OXOA-Anmeldungen erhalten – inklusive solcher von Angehörigen[1]. Davon haben sich etwa 100 Personen mindestens einmal eingeloggt. OXOA wird jedoch noch nicht von allen regelmässig genutzt. Als nächsten entscheidenden Schritt möchten wir den aktiven OXOA-Nutzerinnen und -Nutzern die Rechnungen nicht mehr in gedruckter Form zusenden, sondern ausschliesslich über die Plattform bereitstellen. Damit haben wir bewusst zugewartet, bis die «Push-Benachrichtigungen» funktionieren: Künftig erhalten die Kundinnen und Kunden eine Benachrichtigung auf ihrem Smartphone, sobald eine Rechnung auf der Plattform verfügbar ist.
Weshalb wollte die Spitex Appenzellerland ihren Kundinnen und Kunden und den Angehörigen eine digitalisierte einsatzbezogene Kommunikation ermöglichen?
Für die interne Kommunikation nutzen wir schon heute Beekeper, was sich sehr bewährt. Für den Austausch mit den Kundinnen und Kunden und den Angehörigen hat diese moderne und effiziente Art der Kommunikation allerdings gefehlt. Auch viele ältere Menschen nutzen das Internet und Apps ganz selbstverständlich und sind interessiert an neuen Technologien. Dies zeigt auch der Bericht «Digital Seniors 2025[2]». Der Einsatz von OXOA ist für die Kundinnen und Kunden sowie die Angehörigen ein Mehrwert: Sie sehen rasch, wann die nächsten Einsätze geplant sind. Zudem erhalten sie seit Kurzem, wie bereits erwähnt, eine Push-Benachrichtigung, wenn es zu einer Verschiebung kommt.
Die Kundinnen und Kunden können, wie eingangs erwähnt, freiwillig entscheiden, ob sie das Tool nutzen wollen. Welche Herausforderungen bringt dieser Umstand mit sich? Welcher Mehraufwand entsteht für Ihre Organisation?
Grundsätzlich: Jedes Projekt ist am Anfang mit Mehraufwand verbunden. Der Umstand, dass wir Kundinnen und Kunden haben, die OXOA nutzen und andere wiederum, die dies noch nicht tun, generiert allerdings aktuell nur minimalen Aufwand.
Ist geplant, dass dereinst alle mit OXOA arbeiten?
Davon sind wir aktuell noch weit entfernt. Es wird auch zukünftig Menschen geben, welche den Zugang zu neuen Technologien nicht suchen. Natürlich: Der Anteil wird kleiner werden, aber wir sehen es als unsere Aufgabe als Spitex-Organisation, auch diesen Kundinnen und Kunden einen guten Service und eine hybride Kommunikation zu bieten.
Wie sind Sie bei der Projektplanung vorgegangen und welche Rolle spielte dabei die interne Kommunikation?
Die Projektplanung und auch die begleitende Kommunikation sind entscheidend. Zudem braucht es die nötigen personellen Ressourcen. Laura Kunz[3] hat bei uns intern das Projekt geleitet und entscheidend zum Projekterfolg beigetragen. Zu Projektbeginn haben wir, gemeinsam mit OXOA, eine Veranstaltung durchgeführt, bei der die interne Projektleitung sowie Vertretende aus den Finanzen, dem Telefondienst, den Teamleitungen sowie der Geschäftsleitung anwesend waren. So konnten Fragen früh geklärt werden. Wie bei jedem Projekt ist es zentral, die Mitarbeitenden frühzeitig ins Boot zu holen und sie stetig auf dem Laufenden zu halten – nicht zuletzt, weil auch das digitale Interesse bei ihnen unterschiedlich ausgeprägt. Dem gilt es, Rechnung zu tragen. Hier hilft uns Beekeeper enorm. Wir haben uns auch im Vorfeld überlegt, wer intern sehr direkt und unmittelbar von den Veränderungen betroffen ist und über wen der Erstkontakt läuft. Dies sind bei uns die Mitarbeitenden der Administration und des Abklärungsteams: Sie sind es, die unsere Neukundinnen und -Kunden über OXOA informieren. Da war es besonders wichtig, sie gut mitzunehmen und dafür zu sorgen, dass sie den Mehrwert von OXOA erkennen.
OXOA unterstützt uns seit Beginn an gut: Die externe Projektleitung ist mit allen in regelmässigem Austausch und unterstützt und schult das Admin-Team. Das ist wichtig, da dieses die Kundinnen und Kunden dann am Telefon hat, wenn es Schwierigkeiten beim Einzuloggen gibt. Aber auch die direkte Kommunikation an die Kundinnen und Kunden ist wichtig. So haben wir das Projekt auch am jährlichen Infoanlass vorgestellt. Abschliessend muss ich noch anfügen, dass es uns bewusst war, dass das Projekt kein Selbstläufer wird, sondern dass es Zeit braucht, OXOA zu etablieren. Ich bin jedoch nach wie vor überzeugt davon, dass wir damit auf einem zukunftsgerichteten Weg sind.
Gab es kritische Stimmen oder Vorbehalte seitens der Mitarbeitenden? Wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?
Bei den Mitarbeitenden betrifft es insbesondere das Telefondienstteam. Grundsätzlich soll die App die Telefonleitungen zukünftig entlasten – dies, weil wir Terminanfragen via OXOA per Mail erhalten. Aktuell hat das Team jedoch noch viele Anfragen, wenn das Einloggen nicht klappt. Wir nehmen die Rückmeldungen der Mitarbeitenden ernst und evaluieren sie laufend. Beispielsweise wurde das Formular oft fehlerhaft ausgefüllt, was in der Administration zu Mehraufwand geführt hat. Nun passen wir das Formular an, damit wir die Fehlerquellen reduzieren können.
Auch für die Kundinnen und Kunden hat sich viel verändert. Wie haben Sie sie von einer digitalen Lösung überzeugt?
Wir informieren die neuen Kundinnen und Kunden beim Abklärungsgespräch und regelmässig mit dem Rechnungsversand. Wie bereits erwähnt, fordert das Ersteinloggen und auch das Einloggen bei jeder Nutzung oft Support. Diesen Aufwand haben wir unterschätzt, da bin ich ehrlich.
Wie hat Sie die Spitex Nord Ost Aargau AG unterstützt, die OXOA ja auch bereits eingeführt hat?
Wir haben von Gabriel Bürgisser, dem Geschäftsleiter der Spitex Nord Ost Aargau AG (NOA), Dokumente als Vorlage erhalten, welche wir für unseren Betrieb angepasst nutzen konnten. Auch andere Organisationen, welche OXOA eingeführt haben, haben uns wertvolle Tipps gegeben.
Wo sehen Sie für sich und auch für die Kundinnen und Kunden den grössten Mehrwert durch die Einführung eines solchen Kommunikations- und Planungstools?
Ich sehe den grössten Mehrwert darin, dass beide Seiten Einsicht in die Termine haben und diese auch verschieben respektive anfragen können. Ebenfalls wertvoll sind der Überblick über Rechnungen und Medikamente. Aktuell nutzen wir die Möglichkeit für «News» noch nicht, das möchten wir aber bald ändern.
Sie führen die Spitex Appenzellerland seit 2013. Wie wichtig ist es Ihrer Ansicht nach, dass sich auch Spitex-Organisationen laufend weiterentwickeln und sich Veränderungen nicht verschliessen?
Sehr wichtig! Eine Spitex-Organisation muss in Bewegung bleiben. Dies betrifft auch die neuen Technologien. Wir haben immer gute Erfahrungen damit gemacht, mit den neuen Entwicklungen Schritt zu halten und offen für Neues zu sein. Die neuen digitalen Möglichkeiten müssen jedoch einen Mehrwert generieren. Dies muss immer sorgfältig geprüft werden. Zudem wichtig: Das Tempo muss stimmen und es darf nicht zu viel auf einmal werden – weder für die Organisation noch für die Mitarbeitenden. Bereits ohne Veränderungen haben letztere eine anspruchsvolle Aufgabe. Ich muss aber auch festhalten, dass die Mitarbeitenden es grundsätzlich schätzen, dass sie in einer modernen Organisation arbeiten, welche nicht stehenbleibt, sondern sich weiterentwickelt. Diese Haltung als Arbeitgeberin hat Einfluss auf die Qualität der Arbeit und auch auf die Arbeiterattraktivität (Employer Branding).
Wo sehen Sie weiteres Veränderungspotenzial in Ihrer Organisation? Was empfehlen Sie anderen Spitex-Organisationen, die ähnliches vorhaben? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit solche Change-Vorhaben gelingen?
Uns hat der Austausch mit anderen Spitex-Organisationen sehr geholfen. Somit weiss man schon zu Beginn, welche Stolpersteine allenfalls zu bewältigen sind. Grundsätzlich ist es wichtig, dass das Projekt breit abgestützt und die Projektleitung über zeitliche Ressourcen für die Umsetzung verfügt.
Künstliche Intelligenz (KI) wird uns in den nächsten Jahren weitere Entwicklungsschritte bringen. Wie nutzen wir diese in der Pflege? Welchen Nutzen bringt uns KI, welche Risiken gehen damit einher? Der Einsatz von KI im Bereich der Dokumentation wird ein nächster spannender Schritt sein, den wir prüfen werden. Wichtig ist zudem wie bereits gesagt, dass man nicht zu viel auf einmal einführen möchte. In der Regel ist auch bei guter Vorbereitung alles noch einmal ein bisschen komplexer. Es hilft insgesamt, Neues mit Freude und Neugier anzugehen.
Susanne Schäfer, Geschäfteleiterin Spitex Appenzellerland
https://www.spitex-appenzellerland.ch
Weitere Beiträge zur «Spitex im Wandel» finden Sie hier.
[1] 2024 hatte die Spitex Appenzellerland rund 800 Kundinnen und Kunden.
[2] https://www.prosenectute.ch/de/fachwelt/publikationen/studien/digital-seniors-2025.html
[3] Laura Kunz ist Leiterin Fachteam Abklärung / Projekte bei der Spitex Appenzellerland